Portrait von Matthias Froh, Chefarzt Gastroenterologie am KSB, auf dunkelgrauem Hintergrund

«Mir ist kaum etwas peinlich»

Hämorrhoiden, Blähungen, Darmspiegelung: Gastroenterologen bewegen sich in Tabuzonen. Matthias Froh, Chefarzt Gastroenterologie am KSB, über die unbekannten Welten zwischen Speiseröhre und Anus.

Herr Froh, wann ist Ihnen zuletzt etwas so richtig sauer aufgestossen? 

Nachdem ich vor ein paar Wochen in meiner alten Heimat Bayern einen deftigen Braten gegessen hatte. 

Wir haben mehr Bakterien im Darm als Zellen im Körper, dazu kommunizieren 200 Millionen Nervenzellen mit unserem Gehirn. Fällen wir Entscheidungen – pardon – auch mit dem Hintern?

Gute Frage, der Volksmund spricht ja von «Bauchentscheidungen». Bis zu fünf Prozent unseres Körpergewichts gehen auf das Konto sogenannter Fremdbesiedelungen, vor allem Bakterien. Ohne sie wären wir kaum lebensfähig. Ich glaube aber nicht, dass wir mit dem Bauch denken. Doch er hat sicherlich einen grossen Einfluss darauf, wie wir denken. 

Welches sind heute die häufigsten Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt? 

Jeder Fünfte in Mitteleuropa leidet einmal im Leben unter einer Episode mit unspezifischen Magenbeschwerden oder einem sogenannten Reizdarmsyndrom. In der Klinik sehen wir vor allem schwerere Erkrankungen wie chronische Magen-Darm-Entzündungen, Leber- und Tumorerkrankungen. 

Sind das spezifisch westliche Beschwerden?

Zum Teil sicherlich. So ist das Reizdarmsyndrom in Afrika deutlich weniger verbreitet. 

Liegt das an unserer Ernährung? 

Unsere Gesellschaft ist von einer gewissen Masslosigkeit geprägt, das gilt auch für das Essen. Alles steht jederzeit in grossen Mengen zur Verfügung. Das ist nicht immer von Vorteil. 

Wir essen also zu viel?

Die Menge ist ein Problem. Immer mehr Menschen sind übergewichtig. Aber wir sehen auch ein qualitatives Problem. In verarbeiteten Lebensmitteln sind Stoffe drin, die wir sonst nicht oder nicht in so grossen Mengen konsumieren würden. Zucker zum Beispiel.

Gibt es weitere «böse Buben»? 

Zu viel Alkohol. Nikotin… 

… Nikotin schadet dem Darm? 

Unabhängig von den schädlichen Inhaltsstoffen signalisiert jede Zigarette dem Magen: Jetzt kommt Essen. Also produziert der Magen jedes Mal einen Schub Magensäure – bloss kommt da nichts zum Verdauen. Viele Raucher leiden deshalb unter saurem Aufstossen oder entwickeln Tumorerkrankungen. 

Wie sieht eine ausgewogene Ernährung aus?

Die mediterrane Küche ist ein gutes Beispiel: viel Gemüse und Früchte, Olivenöl, Fisch, wenig Fleisch, dazu hie und da auch Pasta. 

Worauf sollte ich weiter achten? 

Mindestens zwei Liter Flüssigkeit ist wichtig, am besten zucker- und alkoholfrei, dazu körperliche Betätigung. Die sollte Pflicht sein. 

Vielen ist es peinlich, über Blähungen oder Hämorrhoiden zu reden. Sind Sie auch ein Stück weit Psychologe? 

Etwas Psychologiewissen schadet einem Arzt sicher nicht. Der Patient seinerseits sollte seine Probleme ohne Scham ansprechen können.

Was ist Ihnen wichtig im Patientengespräch?

Ehrlichkeit, Vertrauen und eine verständliche Kommunikation. Je nachdem rede ich dann von Diarrhö oder von Durchfall. 

Sind Ihnen gewisse Dinge peinlich?

Mir ist kaum etwas peinlich. Wenn der Patient merkt, dass es dem Arzt peinlich ist, dann wird es ganz schwierig. 

Was rät der Fachmediziner unseren Lesern?

Die Darmspiegelung ist sehr wichtig. Jeder Mann und jede Frau sollte das ab 50 Jahren machen. Rechtzeitig erkannt, hat man bei Darmkrebs heute sehr gute Heilungschancen. 

Quelle

Zuerst erschienen im Kundenmagazin des Kantonsspitals Baden.

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